Menu

Nach langer Trennungsphase: Muss der Versorgungsausgleich trotzdem durchgeführt werden?

Ein Beitrag von Rechtsanwältin Burcu Lupa, Mitarbeit: studentische Hilfskraft Jonas Haaß

 

Nicht immer kommt es direkt nach dem vorgeschriebenen Trennungsjahr zur Scheidung. Es kann Jahre dauern, bis beide Partner*innen ihre Ehe auch „auf dem Papier“ beenden. Dann kann sich die Frage des Versorgungsausgleichs stellen. Hierzu hat das Oberlandesgericht Frankfurt am 22. November 2021 einen interessanten Beschluss veröffentlicht. (Az: 4 UF 205/21). 

 

Was ist der Versorgungsausgleich?

 

Hinter dem Versorgungsausgleich steht der Grundgedanke, dass die Eheleute in einer Versorgungsgemeinschaft leben, also gemeinschaftlich und anteilig für ihre Rente oder die Gefahr verminderter Erwerbsfähigkeit vorsorgen. Kommt es nun zur Trennung und schlussendlich auch zur Scheidung, steht die Frage des Ausgleichs im Raum. So sollen beispielsweise die Rentenanwartschaften gleichmäßig auf beide Partner*innen verteilt werden.

 

Das Problem: Lange Trennung, späte Scheidung

 

Dieser Ausgleich kann nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen werden, soweit er unbillig erscheint. 

Im Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde liegt, lag insgesamt eine Ehedauer von 35 Jahren vor. Die Trennung erfolgte jedoch bereits nach 24 Jahren, 11 Jahre vor der Scheidung. Die Richter*innen hatten nun also zu entscheiden, welche Auswirkungen diese Situation auf die Billigkeit des Versorgungsausgleichs hat. 

 

Lange Trennungszeit kann zu Unbilligkeit führen

 

Dabei stellten sie grundlegend fest, dass die Länge der Trennungszeit (hier ein Drittel der gesamten Ehe) zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs für in dieser Zeit erworbene Versorgungsanwartschaften (z.B. Rentenansprüche) führen kann. Insofern schloss sich das Gericht der bisherigen Rechtsprechung an. Einschränkend fügten die Richter*innen jedoch hinzu, dass auch die Versorgungsgemeinschaft der Eheleute keinen Bestand mehr gehabt haben müsste. 

 

Vorsicht bei der Steuerveranlagung 

 

Zwar wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass bei einer derart langen Trennung auch keine Versorgungsgemeinschaft mehr besteht. Im vorliegenden Fall hatten die Eheleute jedoch für mehrere Jahre weiterhin gemeinsam ihre Steuern veranlagt. Dies ist grundsätzlich nur bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres zulässig. Damit stellte sich das (ehemalige) Paar selbst ein Bein: Das Gericht stellte fest, dass keine steuerliche Verselbstständigung vorliegt und damit auch die Versorgungsgemeinschaft nicht aufgehoben wurde. Die restliche Zeit bis zu Scheidung, in der keine gemeinsame Steuerveranlagung vorgenommen wurde, geriet für eine Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs zu kurz. 

Schlussendlich wird durch dieses interessante Urteil also klar, dass allein die räumliche Trennung nicht automatisch zur wirtschaftlichen Verselbstständigung und zur Aufhebung der Versorgungsgemeinschaft führt.

Insgesamt also ein guter Grund, bei länger anhaltender Trennungsphase rechtlichen Rat zu konsultieren. Dafür stehen Haaß & Lupa gerne an Ihrer Seite und behalten stets alle aktuellen Entwicklungen im Blick.