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Vorsorgebevollmächtigte*r: Muss ich die betroffene Person pflegen? - BGH zur Vorsorgevollmacht

Ein Beitrag von Rechtsanwältin Tanja Haaß, Mitarbeit: studentische Hilfskraft Jonas Haaß

 

Eine Vorsorgevollmacht gehört für die meisten Menschen zu einer guten Vorbereitung auf eventuelle Notsituationen schlichtweg dazu. Auch unsere Kanzlei empfiehlt Mandant:innen, hier Vorkehrungen zu treffen. Dabei stehen wir Ihnen beratend zur Seite und finden immer die individuell beste Lösung. Oft besteht der Wunsch, Angehörige aus dem engsten Familienkreis zu bevollmächtigen, die auch im Alltag helfend zur Hand gehen. Doch wie wirkt es sich aus, wenn dies nicht geschieht? Sind Vorsorgebevollmächtigte zur Pflege verpflichtet? Dazu hat sich nun der BGH geäußert.

 

Das Verhältnis von Betreuung und Vorsorgebevollmächtigung

 

Grundsätzlich gilt: Wenn eine Vorsorgevollmacht vorliegt, ist die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers ausgeschlossen. Eine Betreuerbestellung darf nämlich nicht erfolgen, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Trotz wirksamer Vorsorgevollmacht kann gleichwohl eine Betreuung erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, sich um die Angelegenheiten des Betroffenen zu kümmern. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen besteht, sofern der Bevollmächtigte tätig wird.

 

Schizophrene Ehefrau, Ehemann weit entfernt

 

Im vom BGH (BGH, Beschluss v. 16.11.2022 - XII ZB 212/22 = NJW-RR 2023, 145) zu betrachtenden Sachverhalt hatte eine an paranoider Schizophrenie erkrankte Frau ihren Ehemann mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet. Zu diesem Zeitpunkt stand sie bereits unter Betreuung und beantragte deshalb, die gesetzliche Betreuerin durch ihren Gatten zu ersetzen. Die vorherigen Instanzen wiesen dies zurück. Die Begründung: Der Ehemann sei ungeeignet, sich um die Angelegenheiten seiner Ehefrau zu kümmern. Die erkrankte Ehefrau war zu diesem Zeitpunkt in einer Klinik untergebracht. Sie beabsichtigte, ihren Lebensmittelpunkt weiterhin in die Nähe dieser Klinik zu verlagern, auch wenn sie entlassen werden sollte. Hier knüpften die Vorinstanzen ihre Begründung an: Der Ehemann wohnt mehrere Stunden Fahrtzeit entfernt, Kontakt halten die Eheleute nur per Telefon. Die Gerichte argumentierten, dass so eine plötzliche Verschlechterung des psychischen Zustandes der Betroffenen nicht zuverlässig erkennbar sei. So könne der Vorsorgebevollmächtigte keine entsprechenden Maßnahmen der Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge treffen. In ihrer speziellen Situation brauche die Frau einen Vorsorgebevollmächtigten oder Betreuer vor Ort – ansonsten könne sie ihren Alltag nicht bewältigen. 

 

BGH: Entfernung allein steht Bevollmächtigung nicht entgegen

 

Der BGH hat sich dieser Ansicht nicht angeschlossen. Die Auswahl des Bevollmächtigten obliegt demnach allein dem Vollmachtsgeber – und dieser wird die Entfernung in der Regel in seine Überlegungen einbeziehen. Zum Problem werde es nur, wenn die Vollmacht aufgrund der räumlichen Entfernung nicht zum Wohl des Betroffenen wird oder ausgeübt werden kann. Ein Vorsorgebevollmächtigter ist zwar zu einem regelmäßigen persönlichen Kontakt mit dem Vollmachtgeber verpflichtet, um aktuelle Informationen einzuholen. Er ist aber nicht zur persönlichen Betreuung der betroffenen Person verpflichtet. Er muss eben nicht die tatsächlichen Lebens- und Pflegebedürfnisse persönlich erfüllen. Deshalb ist es auch möglich, den Pflichten durch die Organisation externer Unterstützung gerecht zu werden – etwa durch die Organisation eines Pflegedienstes. 

 

Fazit: Vorsorgebevollmächtige in gestärkter Rechtsposition 

 

Der BGH stärkt damit also die Vorsorgevollmacht: Gerichte können erst dann den Bevollmächtigten durch einen Betreuer ersetzen, wenn eine umfassende Prüfung der Situation erfolgt ist. Auch für Bevollmächtigte ist es gut, dass klargestellt wurde: Sie sind zur rechtlichen Vertretung berechtigt, aber nicht zur persönlichen Betreuung verpflichtet. 

 

Unsere Kanzlei behält für Sie weiterhin alle aktuellen Entwicklungen rund um die Vorsorgevollmacht im Blick. Mit unserer langjährigen Erfahrung setzen wir uns immer dafür ein, dass auch Ihre Familie die bestmögliche Regelung findet. Denn für uns ist klar: Vorsorge ist die beste Sorge!